Ein Gespräch mit Michaela Hänggi

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Wie machen wir Kinder fit fürs Leben?

Michaela Hänggi ist Jugendbeauftragte des Kantons Schaffhausen und Mitglied der Kinder- und Jugendkommission in Thayngen. Die Sozialpädagogin arbeitet schwerpunktmässig im Bundesprogramm Gesundheitsförderung und Prävention. Sie ist selbst Mutter von 7-jährigen Zwillingen.

Michaela, in meinem Artikel zum Wellnessparadigma habe ich von der Verantwortung der Schulen in der Gesundheitserziehung gesprochen.

Ja, die Schule kann da einen wichtigen Beitrag leisten, aber sie ist nur eine der Akteure. Ein afrikanisches Sprichwort besagt: «Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen». Daran hat sich im Grunde genommen nichts geändert. Wir haben eine ganzheitliche Verantwortung, miteinander als Eltern, Lehrern und anderen Bezugspersonen die Lebenskompetenz der Kinder zu stärken und ihnen Werkzeuge mit auf den Weg zu geben, mit denen sie ihren Alltag meistern können.

Welche Herausforderungen bestehen denn heute für die Jugendlichen?

Die heutige Lebensweise hat einen starken Rückgang der Bewegung mit sich gebracht,
was sich besonders bei den Jugendlichen bemerkbar macht.

Wie erklärt sich dieser Rückgang?

Die Primarschule ist oft noch spielerischer und experimenteller ausgerichtet, man geht noch in den Wald oder auf Spielplätze. Die Kinder gehen zu Fuss oder mit dem Kickboard zur Schule und bewegen sich auch in der Freizeit viel. Mit der Oberstufe verändert sich das. Viele fahren mit dem Töffli zur Schule und bewegen sich auch in der Freizeit weniger. 75% der Thaynger 4-6.-Klässler besuchen einen Sportverein, dagegen nur 50% der 7.-9. Klässler.

Woran mag das liegen?

Einerseits wird der Unterricht in der Oberstufe „hirnlastiger“ und es geht mehr auf den „Ernst des Lebens“ zu. Viele hören mit dem Sportverein auf, um mehr Zeit zu haben zum lernen, häufig auf Druck der Eltern. Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass Vereine ab dem Jugendalter zunehmend leistungsorientiert werden. Viele hören auf, weil sie nicht mehr mithalten können und oftmals sind es gerade diejenigen, denen es besonders gut tun würde.

Das ist schade, denn gerade die Bewegung ist wäre doch wichtig für das Hirn und fördert das Lernen?

Das ist so, aber dieses Bewusstsein muss vielerorts noch geschaffen werden. Und genau dort setzen wir an, indem wir schulische und ausserschulische Angebote fördern. Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass jeder Sportverein auch eine „Fun-Gruppe“ hat, in der es weniger um Leistung und mehr um
Spass und Bewegung geht.

Gibt es denn schon solche Angebote?

Es gibt einige fix ausgearbeitete Konzepte. Für die Schule ist dies zum Beispiel „Schulebewegt“, ein Programm von Swiss Olympic, welches sich zum Ziel setzt, täglich 20 Minuten mehr Bewegung in den Schulalltag zu bringen. „Schulnetz21“ oder „fit for future“ bieten fertig ausgearbeitete Programme zu verschiedenen Themen an, in die sich Schulen einklinken können. Aber auch so bietet der Lernplan Möglichkeiten. Man stelle sich nur mal eine Projektwoche zum Thema Gesundheitsförderung vor, bei der sich die Schüler Wissen aneignen und gemeinsam Strategien und Programme erarbeiten, die sie in ihrem Alltag anwenden könnten.

Wie sieht es mit ausserschulischen Aktivitäten aus?

Auch hier gibt es schon Konzepte, wie z.B. der „open sunday“, in der eine Sporthalle Sonntags für fun-sport zur Verfügung steht. Es braucht einfach jemanden, der sich dessen annimmt und das muss noch nicht einmal ein Vertreter der Gemeinde sein. Aber auch andere Ideen sind willkommen. Deshalb haben wir auch die Plattform Wegweiser geschaffen, die Interessierten Möglichkeiten zur Bewegung aufzeigt.

Und was meinst Du ist die Verantwortung der Eltern?

Damit fängt es doch an, wenn die Kinder noch klein sind. Welchen Znüni gebe ich Ihnen mit? Bringe ich sie immer mit dem Auto in der Schule oder traue ich ihnen den Schulweg zu und ermögliche ihnen damit Bewegung? Mache ich es mir einfach und gebe meinem Kind mein Smartphone, damit es damit spielen kann oder halte ich den anfänglichen Frust der Langeweile aus, aus der kreative Spielideen entstehen? Nehme ich mir die Zeit, mein Kind nach seinem Befinden zu fragen, damit es sich selbst und seine Bedürfnisse wahrnehmen lernt? Ziel muss sein, dass die Kinder mit zunehmendem Alter selbst Verantwortung für sich und ihr Wohlbefinden übernehmen.

Das würde bedeuten, sie zu lehren, die Wellness-Grundsätze anzuwenden?

Ja, genau. Letztlich geht es darum, die nachfolgende Generation „fit für’s Läbe“ zu machen, eine Kultur zu etablieren in der sich alle, ob Eltern., Lehrer oder andere Bezugspersonen bewusst sind, welche Werte sie vermitteln, was sie in die Kinder hineinlegen und vor allem auch, was sie vorleben.

Michaela, vielen Dank für alles, was Du in die Kinder und Jugendlichen und damit auch in die Zukunft investierst! Wie kann man Dich dabei unterstützen?

Wer es auf dem Herzen hat, einen Beitrag in irgendwelcher Form zu leisten, wendet sich am besten per Email an mich: michaela.haenggi(at)ktsh.ch